26
Sep
2006

Mein Leben?

Deutschaufsatz, geschrieben am 26.9.2006 in 90 Minuten. Thema: Höhenflug, Absturz.

Mein Leben?

Mein Leben ist gut, sogar mehr als gut. Ich habe Geld, Freunde und jede Menge Spass, kurz, alles was ein Jugendlicher sich wünschen kann. Um meine Zukunft mach’ ich mir keine Sorgen, reiche Eltern und ein problemloses Vorankommen im Gymnasium werden mir schon eine gute Zukunft mit einem gut bezahlten Job sichern, doch ehrlich gesagt denke ich über solche Dinge eher weniger nach. Ich denke allgemein wenig nach. Denn ich lebe einfach für den Moment und versuche möglichst viel aus der Zeit zu machen, die ich noch habe, solange ich jung bin, denn ich glaube nicht, dass man, wenn man alt ist, noch so viel Spass haben kann, wie wenn man jung ist, also lebe ich ein möglichst rasantes und spontanes, meist unüberlegtes Leben. Das hat mich auch dazu bewogen, heute auf diese Party zu gehen, wenngleich es Dienstag ist und ich morgen Schule habe. Aber als mich, während ich meine Hausaufgaben machte, plötzlich Laura anrief und mich fragte, ob ich nicht an die Party käme, die sie spontan als Geburtstagsfest für eine Kollegin, die ich nicht kenne, organisiert hat, zögerte ich nicht lange und so sitze ich jetzt im Mercedes meines Vaters, der auf Geschäftsreise ist, und fahre hin.
Unterwegs habe ich übrigens noch kurz an der Tankstelle angehalten, um im Shop ein wenig Alkohol zu kaufen, weil es höflicher ist, nicht mit leeren Händen aufzukreuzen.

Ich fahre also, mit nur leicht zu hoher Geschwindigkeit und mit voll aufgedrehter Stereoanlage, aus der die Klänge irgendeiner Metalband dröhnen, zu Lauras Haus. Dann merke ich, dass ich gerade an Johannes’ Haus vorbeifahre und da ich weiss, dass er immer irgendwelches Zeug Rumliegen hat, entscheide ich mich, anzuhalten und ihn kurz zu fragen, ob er mir nicht noch etwas für heute Abend verkaufen könne. Ich klingle und warte, bis er an die Türe kommt. Als er dann endlich aufmacht, sehe ich sogleich, dass er heute bereits das eine oder das andere seiner ’Produkte’, mit denen er handelt, konsumiert hatte, aber zum Glück ist sein Zustand noch nicht so schlimm, dass er mir nichts mehr verkaufen könnte. Nach kurzem Feilschen um den Preis fahre ich weiter und komme dann einige Minuten später auch endlich an.

Die Party ist bereits im vollen Gange, wie ich kurz nach meiner Ankunft herausfinde. Etwa die Hälfte der etwa siebzig Anwesenden sind bereits betrunken oder zumindest angetrunken und einige sind wahrscheinlich auch schon in einem der vielen Zimmer verschwunden, um in trauter Zweisamkeit (oder eventuell auch zu dritt) ein eigenes ’Fest’ zu feiern.
„Da bist du ja endlich!“, begrüsst mich Laura stürmisch und fällt mir um den Hals. Offensichtlich hat auch sie schon den Inhalt einiger Gläser in sich hineingeschüttet. Sie zerrt ein Mädchen heran. „Das ist Sabrina“, stellt sie vor. „Wer?“, denke ich, doch dann erinnere ich mich daran, dass die Freundin, die sie am Telefon erwähnt hat und die heute achtzehn Jahre alt wird, Sabrina heisst, also gratuliere ich ihr und wünsche ihr viel Spass in ihrem neunzehnten Lebensjahr. Verglichen mit dem Rest der Anwesenden scheint diese Sabrina noch relativ nüchtern zu sein („Und das an ihrem achtzehnten Geburtstag!“, denke ich), und da ich sonst nicht allzu viele hier kenne, beschliesse ich, mich mit ihr zu unterhalten. Im Hinterkopf habe ich natürlich den Gedanken, dass ich bei ihr heute Abend vielleicht noch etwas erreichen kann. Ich frage sie also die üblichen Fragen, wie es ihr gefalle, achtzehn zu sein, was sie für Geschenke bekommen habe und ähnliche Sachen. Sie gibt erwartbare Antworten, doch zumindest kommen wir ins Gespräch. Wir holen uns je einen Drink von der Bar, sie einen Gin Tonic, ich einen Scotch auf Eis, und wir setzten uns auf ein freies Sofa, um unser Gespräch fortzusetzen. In der Zeit, in der sie einen Drittel ihres Drinks getrunken hat, habe ich meinen bereits geleert, also gehe ich an die Bar, um ihn aufzufüllen. Ich halte es auch für den richtigen Zeitpunkt, den ’Stoff’, den ich auf der Hinfahrt gekauft habe, zu nehmen und schütte die klare Flüssigkeit in meinen Glenfiddich. Ich nehme einen Schluck aus dem Glas und stelle zufrieden fest, dass der Geschmack nicht beeinträchtigt wird.

Zurück bei Sabrina führen wir unseren Smalltalk fort und nippen an unseren Drinks. Sie scheint keine grosse Trinkerin zu sein und ich weiss, dass ich jetzt nicht mehr zu viel trinken sollte, da das Zeug, das ich reingeschüttet habe, seinen Teil tun wird und ich nicht noch zusätzlich Unmengen von Alkohol trinken muss. Eine halbe Stunde später reden wir noch immer und mir ist schleierhaft, über was wir so lange geredet haben, auf jeden Fall fasse ich den Entschluss, ein wenig offensiver zu werden, und lenke das Gespräch geschickt, wie ich es schon dutzende Male gemacht habe, um herauszufinden, ob sie einen Freund hat, oder nicht. Sie scheint keinen zu haben, also deute ich während der Unterhaltung diskret an, dass ich zur Zeit keine Freundin habe und offen für eine nähere Bekanntschaft mit ihr bin. Ich nehme ganz selbstverständlich an, dass sie diese Andeutungen versteht und da sie nicht abweisend darauf reagiert, scheint die Sache für mich gut auszusehen. Dass sie gar nicht auf die Andeutungen eingeht, erkläre ich mir mit Schüchternheit.

Die Droge entfaltet langsam ihre Wirkung und das vertraute Hochgefühl kommt auf. Ich beschliesse die Sache anzupacken. Ich lehne mich zufällig zu ihr hinüber und gebe ihr im erst besten Augenblick, der sich anbietet, einen Kuss. „Du bist wunderschön…“, schmeichle ich ihr. Doch an Stelle eines Lächelns, oder einer anderen Geste, ihre Freude auszudrücken, gibt sie mir eine schallende Ohrfeige. „Du Schwein! Ich habe einen Freund! Verschwinde, du Lüstling!“ Unter diesem Zornausbruch drängt sie mich zur Türe und wirt mich, beinahe wörtlich gesprochen, aus ihrem Haus.

Ich bin geschockt, noch nie habe ich eine derartige Reaktion auf einen Kuss von mir erlebt. Was eben noch ein Höhenflug war, wurde jäh zu einem Albtraum, der vor allem ’dank’ den Drogen, eine solche Intensität hat. Ich verliere plötzlich den Bezug zur Realität und glaube mich in einer fremden, düsteren und angsteinflössenden Welt zu befinden. Ich beginne zu frieren und ein Gefühl der Panik kommt in mir auf. Ich renne los.

Ahnungslos wohin und meine Umwelt komplett ignorierend, renne ich los, als würde ich vor etwas flüchten. Noch wird mir nicht klar, dass das, wovor ich flüchte, ich selbst bin, oder besser gesagt mein dekadenter, selbstverliebter und verantwortungslosre Lebensstil. Ich renne immer weiter, falle hin, stehe auf, renne weiter, ohne die Kratzer, die ich erst im Nachhinein bemerke, zu beachten. Ich renne, bis ich besinnungslos zu Boden sinke und in einen schlafähnlichen Zustand falle.

Am nächsten Morgen weiss ich nicht, wo ich bin, und ich sehe meine Umgebung anfangs nur unscharf, da ich meine Kontaktlinsen über die Nacht in den Augen gelassen habe und sie daher ausgetrocknet sind. Ich versuche mich daran zu erinnern, was gestern Abend passiert ist und wieso ich hier liege, wo ich gerade bin. Langsam kommt die Erinnerung zurück und diese Erinnerung haben zu Folge, dass ich mich jetzt nicht nur physisch schlecht fühle, was ja nach einem Abend des Alkohol- und Drogenkonsums in dieser Art und dem Ausmass nicht verwunderlich ist, sondern, dass ich mich jetzt auch noch psychisch nicht mehr allzu wohl fühle. Das erste Mal in meinem Leben denke ich ernsthaft über mich selbst, mein Leben und meine Art zu leben nach…
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